Abtauchen

Abtauchen

Also, ich weiß ja ja nicht, was Sie vor zwei Jahren gemacht haben, aber ich war damals auf Bali. Und ich sage ganz bewusst „damals“, denn heute kommt es mir, wie eine andere Zeitrechnung vor. Für dieses Frühjahr hatten wir eigentlich wieder eine Fernreise geplant. Doch nun heißt es das dritte Mal in Folge wieder „lock down“ und „stay at home“ statt Malle oder Malediven.

Prinzipiell kann ich gut damit leben, zumal aufgeschoben ja nicht zwangsläufig auch aufgehoben bedeutet. Davon abgesehen, bin ich nach 3 Jahren im Home Office bei Weitem nicht so erholungsbedürftig wie in früheren Jahren im Einzelhandel. Außerdem bin ich kein Mensch, der sich schnell langweilt und ich komme gut allein mit mir klar. Dennoch: Wenn ich die Zeit seit dem letzten Osterfest Revue passieren lasse, verschwinden Tage, Wochen und Monate in einem gleichförmigen Zeitnebel ohne nennenswerte Höhepunkte.

Dabei habe ich in meinem letzten Urlaub auch nichts wesentlich anderes gemacht als im vergangenen Jahr. Bali war ebenso übersichtlich wie entspannt: Morgens ein paar Runden im Pool, anschließend Frühstück, Nachmittags shoppen oder Sightseeing, abends Dinner und ein paar Drinks. Es passierte eigentlich nichts Aufregendes und der Tag war im Prinzip nicht anders strukturiert als hier in den letzten 12 Monaten - außer, dass ich den Pool durch tägliche Spaziergänge ersetzt habe. Trotzdem ist mir bis heute jedes einzelne Detail auf Bali präsent: Gerüche, Geräusche, die Menschen und das Essen - eben die gesamte Palette an Sinneswahrnehmungen. Eindrücke, von denen ich bis heute zehre und die für immer einen festen Platz in meinen Erinnerungen haben werden.

Urlaub ist für mich wie Leben in einer Zeitkapsel. Die Zeit fließt langsamer und intensiver, und die gerade mal 11 Tage kommen mir damals wie heute wie eine kleine Ewigkeit vor. Es ist die Unterbrechung des Alltäglichen, die uns so nachdrücklich im Gedächtnis bleibt und wie eine Markierung im endlosen Kontinuum der Zeit funktioniert. Je älter wir werden, desto mehr haben wir das Gefühl, dass uns die Zeit wie Sand zwischen den Fingern verrinnt und Wochen, Monate und auch Jahre fliegen nur so an uns vorbei. Deswegen sind Reisen, Ausflüge, Feste, Feiern und andere Höhepunkte für uns so wichtig. Nicht weil wir uns langweilen, sondern damit wir auch Jahre später wissen, dass wir etwas erlebt und daher gelebt haben.

Und was lehrt uns das?
Wenn all diese Erlebnisse ausfallen, müssen wir improvisieren und so für die bunten Farbkleckse auf unserem (Lebens) Bild sorgen. Ich z.B. habe mir vorgenommen, die Ostertage für ein exzessives Wellnessprogramm zu nutzen, ohne Hetze, ungestört und in einem Rhythmus, den ich allein bestimme. Ich werde alle Heizkörper im Haus auf Vollgas drehen und bei lauter Musik und Kerzenschein nach einem ausgedehnten Peeling in meiner Badewanne abtauchen. Dann werde ich mich mit den erlesensten Essenzen und Seren pflegen, mir in aller Ruhe die Nägel lackieren und während der Trocknungszeiten mindestens sechs neue Bikinis und Badeanzüge, die ich mir bestellt habe, anprobieren. Und abends bestelle ich mir ein Dinner und werde dies in meinem neuen Sommerkleid genießen. Mit anderen Worten, ich bin wild entschlossen, das Osterfest 2021 auf der Habenseite meiner Erinnerungen zu verbuchen.

In diesem Sinne: Stay at home, lassen Sie es sich gut gehen, konzentrieren Sie sich auf die schönen Seiten Ihres Lebens und haben Sie ein spektakuläres Osterfest.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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