Bergwandern oder Tropenkoma?
Hilfe, ich werde alt! Wenn es um Urlaubsdestinationen geht, konnte es mir eigentlich nie warm genug sein. Meine Devise: Ab 25 Grad erwache ich langsam aus der Winterstarre, und selbst Temperaturen von 35 Grad plus machen mir nichts aus. Insofern ist es kein Wunder, dass meine Reiseziele grundsätzlich eines gemeinsam hatten: Tropische Temperaturen. Meine bevorzugten Reiseziele waren die Karibik oder Asien und hier insbesondere Thailand. Und genau dahin wollte ich nach 4-jähriger Pause endlich mal wieder. Als ich dann vor ein paar Tagen etwaige Flüge gecheckt habe, bekam ich vor allem angesichts der gerade tropischen Hitze in Norddeutschland ernsthafte Zweifel, ob dies wirklich (noch) die richtige Wahl für mich ist. Zumal ich, anders anders als früher, die heißen Tage neuerdings lieber im kühlen Haus als in der Sonne verbringe. Also Bergwandern statt Beachlife?
Nun, ganz so drastisch ist mein Sinneswandel zwar nicht, aber 35 Grad und mehr müssen es eben auch nicht unbedingt sein. Bin ich jetzt also eine von denen, die 2/3 des Jahres über das schlechte Wetter jammern, um dann beim erstbesten Sonnenstrahl über die Hitze zu meckern? Ich denke nicht! Allerdings komme ich nicht umhin festzustellen, dass „heiß“ hierzulande dank Klimawandel wirklich zunehmend tropisch und damit nicht nur für alte Menschen anstrengend ist. Davon abgesehen, haben sich meine persönlichen Lebensumstände in den letzten Jahren gravierend verändert. Während ich früher den ganzen Tag in meinem Laden stand und lediglich alle zwei Jahre 10 Tage eine dringend benötigte Urlaubspause hatte, arbeite ich jetzt entspannt und ohne Zeitdruck zuhause. Ich brauche also ehrlich gesagt, keine Erholung im eigentlichen Sinne, sondern einfach hin und wieder einen „Tapetenwechsel“. Habe ich es früher genossen, meinen Urlaub 24/7 im wahrsten Sinne des Wortes im Pool zu verbringen, suche ich jetzt neue Eindrücke und Abwechslung vom Alltag. Und Sightseeing, Shoppen oder Bummeln ist bei 40 Grad im Schatten einfach nur anstrengend.
Im Unterschied zu früher ist es nicht mehr das Maß aller Dinge, zuhause stolz die mühsam erworbene Urlaubsbräune zu präsentieren. Die kommt heute naturgerecht aus der Tube und ist dabei wesentlich gesünder. Es ist nicht chic, für einen Kaffee in New York um die halbe Welt zu fliegen, sondern verantwortungslos. Es ist nicht lässig, als Backpacker den Bauern das Gemüse vom Feld zu klauen oder Waren auf einheimischen Märkten so runterzuhandeln, dass man die Beute quasi geschenkt bekommt. Und da rede ich jetzt noch nicht einmal von ausgefallenen und verspäteten Flügen, von vollgestopften Flugzeugen oder von schreienden Babies auf Langstreckenflügen, die nach Ansicht ihrer Eltern mit 6 Monaten unbedingt mal Bangkok erlebt haben müssen. In den letzten Jahren haben sich nicht nur meine persönlichen Lebensumstände verändert, sondern die ganze Welt und damit auch die Sichtweise auf viele Dinge.
Für meinen nächsten Urlaub kaufe ich mir zwar keine Wanderstiefel, aber ich werde auch keinen 12-Stunden-Flug in die Tropen buchen. Voraussichtlich werden Sie mich vielmehr entspannt Eis essend auf einer gepflegten Strandpromenade irgendwo in Europa finden, wo sich der salzige Geruch des Meeres mit einer frischen Brise mischt und das süße Aroma von Zuckerwatte, Popcorn und Sonnencreme in der Luft liegt. Ganz so wie in den Parfums, die ich dieses Mal ausgesucht habe. In Gedanken, habe ich schon jetzt den abendlich warmen Sand des Strandes unter den Füßen und den zart blumigen Duft von Oleander und Hibiskus in der Nase, der sich mit dem herben, erdigen Geruch von Piniennadeln und trockenen Gräsern mischt. Das klingt doch viel besser als zwei Wochen Tropenkoma, oder?