Bitte als Geschenk verpacken.

Spätestens ab 15.00 Uhr war das Wohnzimmer für mich und meine zwei Schwestern verbotene Zone. Selbst das Linsen durch die milchige Glasscheibe der Tür war nicht erlaubt, wenn meine Mutter den Weihnachtsbaum schmückte. Erst wenn es dunkel war und Peter Alexander mit Weihnachtsliedern ertönte, war Weihnachten, und wir durften endlich den geschmückten Tannenbaum sehen. Natürlich war es nicht wirklich der Baum, der uns interessierte, der sah ohnehin immer gleich aus - sondern die darunter gestapelten Geschenke. Bereits beim andächtigen Bestaunen von Lichterglanz und Weihnachtsatmosphäre versuchten wir, unsere Namen auf den Kärtchen zu entziffern. Als es dann endlich soweit war, türmten sich innerhalb kürzester Zeit Berge aus zerrissenem Papier auf dem Boden. Trotzdem hatte meine Mutter jedes Teil sorgfältig verpackt und mit einer Schleife geschmückt. Keine Frage: Weihnachten ist nicht nur das Fest der Liebe, sondern auch der Jahreshöhepunkt des deutschen Verpackungswahns.

 

Bitte als Geschenk verpacken

 

Mindestens 227,55 Kilogramm Verpackungsmüll verursacht jeder Bürger im Schnitt pro Jahr. Das ist natürlich nicht alles Geschenkpapier, sondern im wesentlichen Verpackungsmaterial allgemein. Nichtsdestotrotz reicht es mit 50 Kilogramm über dem europäischen Mittelwert locker für einen Spitzenplatz. Selbst kleinste Kleinigkeiten werden mit edlem Papier umhüllt und mit pompösen Schleifen verziert. Die Devise: je kleiner das Geschenk, desto aufwändiger die Verpackung. Ich weiß das, denn ich habe Jahre meines Lebens mit der Perfektionierung und Optimierung von Geschenkverpackungen verbracht. In einer Parfümerie muss man das nämlich. Und als bekennender Geschenkverpackungsfreak habe ich es geliebt. Dabei waren die Anforderungen hoch: Meine Verpackungen sollten schön, originell und wiedererkennbar sein und mussten zudem selbst im vorweihnachtlichen Trubel von jeder ungeübten Aushilfe umgesetzt werden können. Außerdem sollten meine Geschenkverpackungen nicht nur schön, sondern qualitativ hochwertig und trotzdem finanzierbar sein. Nachhaltigkeit spielte zu der Zeit - wenn überhaupt - nur eine untergeordnete Rolle. Also wurde alles in buntem Seidenpapier verpackt und mit handgerissenen Organzaschleifen plus eigens entworfenen, farblich passenden Anhängerkärtchen versehen. Zu Weihnachten gab es jedes Jahr eine neue „limited edition“ Verpackung inkl. kleinem „Extra“. Mal waren dies vergoldete Nüsse, mal ein Schokoladenkringel, Weihnachtsbaumschmuck oder auch ein vergoldeter Tannenzweig. Mal gab es eine kleine Kerze oder ein besonderes Pröbchen. Und einmal gab es sogar einen echten Glückspfennig. Die Pfennige hatte ich bereits in großer Zahl im Sommer bei ebay ersteigert und anschließend mit einem winzigen Loch durchbohren lassen sowie mit einer Kupferöse versehen. Das war zwar ein mega Aufwand, aber in dem Jahr dann auch „talk of the town“. Insofern war es für mich immer das schönste Kompliment, wenn Tüten, Verpackungen, Schleifen und Kärtchen gesammelt und anschließend wiederverwendet wurden.

Heutzutage wirken Geschenkverpackungen angesichts der Energie- und Klimakrise - zumal aus Papier - obsolet. Jedoch ein teures Parfum ganz ohne Geschenkverpackung und Schleife? Ich habe ehrlich keine Ahnung, was ich heute im Laden machen würde. So wie noch vor sechs Jahren üblich, erscheint es mir, bei allem Sinn für Schönheit, unverhältnismäßig. Die letzten zwei Jahre habe ich darauf verzichtet und meine Geschenke unverpackt in einer (ehemaligen Duftcontor) Tüte überreicht. Die meisten haben sich nicht nur gefreut, sondern sich vor allem auch kein bisschen gewundert. Im Gegenteil, da es eine sehr stabile Tüte ist, habe ich bereits etliche davon im Laufe des Jahres wiedergesehen. Eine besonders schöne Idee hatte im Frühjahr übrigens Diptyque, als sie den Duft „Kyoto“ lanciert haben. Der war nämlich „á la japonais“ in einem kleinen, quadratischen Baumwolltuch eingeschlagen. „Furoshiki“ nennen die Japaner diese ebenso hübsche wie nachhaltige Art der Verpackung, die traditionell auch als Tragebeutel benutzt wird. Weniger nachahmenswert finde ich hingegen die Idee, Packpapier mit Acrylfarbe zu bemalen. Das Ergebnis wirkt auf mich angesichts des erheblichem Materialaufwandes mit Packpapier, Farbe, Klebeband und Heißkleber nicht besonders attraktiv. Von der riesigen Plastikfolie als Schutz vor der zur erwartenden Farbklecksorgie mal ganz abgesehen. Dann würde ich schon lieber eine alte Zeitung nehmen oder einen Stoffbeutel, den man anschließend (wieder) zum Einkaufen benutzen kann. Auch die Idee, ein T-Shirt als Verpackung zu benutzen, hat mir gefallen, denn das kann man dann hinterher anziehen. Last but not least, befinden sich die meisten Parfums und Duftkerzen ohnehin bereits in einer so schönen Box, dass eine gesonderte Verpackung so oder so eigentlich überflüssig ist. Man kann sie also guten Gewissens ohne zusätzliche Verpackung verschenken - übrigens an sich selbst sowieso.

 



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