De gustibus non est disputandum
Anders als vermutet und obwohl die Römer in all ihrer vergnügungssüchtigen Dekadenz garantiert die Geschmackshoheit beansprucht hätten, stammt „de gustibus et coloris non est diputandum“ nicht aus der Antike, sondern von den Scholastikern, die etwa im 12. Jahrhundert befanden, dass sich weder über Geschmack und noch über Farben streiten lässt. Mit anderen Worten: Geschmack ist weder richtig noch falsch, sondern schlicht subjektiv. Der eine assoziiert mit Rosmarin und Lavendel einen Urlaub unter mediterraner Sonne, der andere denkt an Hustensaft und Mottenschutz.
Der individuelle Geschmack wird von diversen Faktoren beeinflusst: Neben der kulturellen Prägung und dem sozialen Umfeld spielen persönliche Erfahrungen ebenso eine Rolle bei der Entwicklung der Sinne, wie auch genetische Prädispositionen. Fakt ist, dass sowohl der Geschmacks- als auch der Geruchssinn jeweils einzigartig sind und sich darüber hinaus auch fortlaufend ändern und anpassen können. Beide Sinne werden auch als chemische Sinne bezeichnet und hängen (nicht nur territorial) eng zusammen. Während der Geschmackssinn die Beschaffenheit etwaiger Substanzen im Mund prüft, filtert der Geruchssinn die Umgebung sowie den Mundinhalt und registriert z.B. attraktive, abstoßende oder gefährliche Gerüche. Wie die Geschmackszellen, haben auch Geruchszellen eine relativ kurze Lebensdauer von etwa 4 Wochen. Der sich schnell anpassende Geruchssinn steht dabei nicht nur im Dienst der Nahrungsbeurteilung, sondern unterstützt die soziale und sexuelle Kommunikation, hilft bei der Orientierung und warnt - last but not least - vor Gefahren, z.B. wenn es brennt. Man nimmt an, dass das olfaktorische System des Menschen potentiell mehr als 400.000 volatile (flüchtige) Gerüche aufnehmen kann und als Geruchsinformation an das phylogenetisch sehr alte Riechhirn weiterleitet, das wiederum in enger Verbindung zum limbischen System steht. Das limbische System hingegen ist ein Netzwerk von Gehirnstrukturen, das eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Verarbeitung von Emotionen sowie emotionalen Erfahrungen und Erinnerungen einnimmt und so das Verhalten, die Motivation und die soziale Interaktion beeinflusst und steuert. Mit anderen Worte: Ich rieche, also bin ich - weiß jedoch oft nicht warum.
Gleichwohl weiß natürlich irgendwann jeder, was er mag und was nicht. Ich mag z.B. keine weiße Milch und alles, was nach Milch riecht. Obwohl ich mich nicht erinnern kann, jemals Milch getrunken zu haben, geht meine Aversion bis heute so weit, dass ich nichts Weißes essen würde, also weder Milch, noch Joghurt, Sahne oder beispielsweise Creme fraiche. Es sei denn, in der Milch schwimmt ein Hauch Kakao, im Joghurt eine Kirsche oder in der Creme fraiche ein Petersilienstängel. Das muss man nicht verstehen, aber vielleicht liegt es daran, dass auch meine Mutter keine Milch trinkt und mir möglicherweise bis zu meinem 4. Lebensjahr ca. 10.000 mal ins Ohr geflüstert hat: „Milch ist eklig“. Oder nehmen Sie Minze und Kampfer. Wo andere an Zähneputzen und Wick Vaporub denken, sehe ich eisgekühlten Mojito, denke an Thailand und Tigerbalsam sowie mein kühlendes Minzöl als kleines aromatisches Helferlein gegen Alles und Jedes. Wie Sie unschwer an der Duftauswahl sehen, mag ich Minze wirklich sehr.
Man schätzt übrigens, dass der Mensch biologisch gesehen über eine Billion unterschiedlicher Gerüche differenzieren kann, wobei es grundsätzlich lediglich acht Grundgerüche gibt: kampferartig, malzig, minzig, moschusartig, fischig, spermatisch, schweißig und urinös. Aus diesen acht Gerüchen lassen sich - wie in der Farbenlehre mit den Grundfarben rot, grün und blau - sämtliche Geruchsmuster und -varianten kombinieren. Übrigens ist der Geruchssinn für unangenehm faulige und schweißige Gerüche besonders sensibel. Aber, und hier schließt sich der Kreis: Über Geschmack und Farben lässt sich nicht streiten, aber - wenn Sie mich fragen - hervorragend diskutieren. In diesem Sinne, wie wäre es denn mal mit Minze als nächsten Sommerduft?