Die Wunderbohne

Dass die Tonkabohne sich nicht nur in sehr, sehr vielen Parfums befindet, sondern auch eine der beliebtesten Duftnoten ist, dürfte nichts Neues sein. Aber wussten Sie zum Beispiel, dass zermahlene Tonkabohnen mancherorts als kostengünstige Alternative für Cannabis gelten? Cumarin heißt der natürliche Aroma- und Duftstoff, aus dem u.a. die Tonkabohnenträume sind. Ein Stoff, den man übrigens auch im Waldmeister und in einigen Zimtsorten findet. Zwar wird die gesundheitsschädliche Wirkung von Cumarin - vor allem in sehr hoher Dosierung und Konzentration - nach wie vor kontrovers diskutiert, aber in diesem Fall punktet Cumarin mit Eigenschaften, die die Tonkabohne zu etwas Besonderem machen.

Dabei gibt es die schrumpelige Wunderbohne - zumindest in Deutschland - noch gar nicht so lange: Erst 1991 wurde das langjährige Handelsverbot wegen ihres Cumaringehaltes aufgehoben. Seitdem ist der Siegeszug der Tonkabohne nicht mehr aufzuhalten. Zumal sie im botanischen Sinne nicht einmal eine Bohne ist, sondern der Kern der fleischigen, mangoähnlichen Frucht des Tonkabohnenbaumes, den man vor allem in Südamerika, in der Karibik und im tropischen Afrika findet. Bis zu 15 Kilo Tonkabohnen produziert jeder der bis zu 30 Meter hohen Bäume pro Jahr. Nach der Ernte im Frühjahr werden die Kerne zunächst in Alkohol eingelegt und anschließend getrocknet sowie fermentiert. Ein Prozess, der Monate dauern kann, jedoch die gesetzliche Voraussetzung ist, um Tonkabohnen in Europa in den Handel zu bringen. Die Fermentierung senkt nämlich nicht nur den umstrittenen Cumarin-Gehalt auf ein verträgliches Maß, sondern veredelt auch die Eigenschaften der begehrten Kerne, die so ihr typisches, mandelförmiges, braun-schwarz verschrumpeltes Erscheinungsbild und ihr einzigartiges Aroma erhalten. Fein vermahlen, schmeckt die Tonkabohne nach Vanille, Mandel und Marzipan und verströmt ihren delikaten Duft mit einem Hauch von Waldmeister und manchmal sogar Rum. Ein Aroma, das nicht nur in der Duftindustrie überaus begehrt ist, sondern auch als Gewürz in der gehobenen Küche verwendet wird. Tonkabohnen veredeln also nicht nur Gourmandparfums mit einer nicht zu süßen, vanillig marzipanigen Note, sondern auch so manches Dessert.

 

Düfte mit der Duftnote Tonkabohne

 

Aber die Tonkabohne wäre natürlich keine Wunderbohne, wenn sie nicht mehr als den guten Geschmack auf dem Kasten hätte. So war sie beispielsweise bis 1940 bei den Ureinwohnern Venezuelas ein gängiges Zahlungsmittel und dient dort bis heute als Glücksbringer und Schutz gegen Krankheiten. Eine Eigenschaft, die ich im Übrigen prinzipiell bestätigen kann. Als ich 2009 ohne jegliche Handelserfahrung in einer Nacht- und Nebel-Rettungsaktion das „Duftcontor“ übernommen habe, schenkte mir ein Kunde wenige Tage später eine Tonkabohne für meine Kassenschublade. Und da lag sie unverdrossen all die Jahre. Als Fazit hat sie mich zwar nicht reich gemacht, aber immerhin gab es in der langen Zeit weder finanzielle Probleme noch Engpässe, und krank war ich glücklicherweise auch nicht. Meine Glücksbohne hat also ihr Soll erfüllt. Apropos Glück: Man kann die Bohne zwecks Wunscherfüllung auch im Garten vergraben. Keinerlei persönliche Erfahrungen habe ich hingegen mit der eingangs erwähnten berauschenden Wirkung. Und auch den aphrodisierenden Effekt durch Verräuchern des fein zermahlenen Tonkabohnenpulvers kann ich nicht bestätigen, denn ich habe es schlicht nicht ausprobiert.

Nichtsdestotrotz bin ich seit Jahren bekennender Tonkabohnenfan. Wenn man wie ich ein Faible für Gourmanddüfte hat, die nicht allzu zuckrig sind, kommt man an der Tonkabohne ohnehin nicht vorbei. Ich liebe die leicht beschwipste Duftnote, wie man sie beispielsweise in Kilians Angels’ Share oder in Pierre Guillaumes Tonka Bodykon findet - letzterer übrigens für mich der bisher konsequenteste aller Tonkabohnendüfte. Aber auch Manceras Kombination aus Coca Cola und Tonkabohnen finde ich unwiderstehlich. Ganz anders, aber nicht minder verführerisch, ist der subtile und hautnahe Einsatz von Tonkabohnen in Ulrich Langs „Lethe“. Was übrigens die angeblich erotisierende Wirkung von Tonkabohnen in Parfums betrifft, kann ich lediglich bestätigen, dass mir die Menschheit zwar nicht in Scharen nach- , aber immerhin auch nicht vor mir nicht wegläuft. Und das eine oder andere Kompliment zu meinen Parfums gab es auch. In diesem Sinne: Daumen hoch für die Wunderbohne, die zwar nicht alles kann, aber weitaus mehr, als man ihr zutrauen würde.



Verwandte Produkte