Früher ... war garantiert nicht alles besser, aber manches war sehr viel einfacher. Nehmen Sie nur die Entscheidung für einen neuen Duft. Als ich 1990 nach dem Studium meine erste Stelle antrat, standen gerade mal drei Parfums in meinem Bad: Fendi, Shalimar und Wrappings von Clinique. Wenn eine dieser drei Flaschen so gut wie leer war (so ca. alle 1 -2 Jahre), wurde der Rest sehr großzügig versprüht und ich kaufte mir eine neue - oft zu einem besonderen Anlass oder auch im Urlaub. 275 Parfums kamen 1990 neu auf den Markt; weltweit! Nicht wenige davon erreichten Europa gar nicht erst, sondern es gab sie nur in den USA oder in Asien, denn Globalisierung war damals noch ein Fremdwort. Das Angebot an Parfums und Marken war überschaubar und die Entscheidung schnell getroffen. Beispielsweise habe ich meinen Hochzeitsduft sehr spontan ca. 30 min vor dem Abflug in London Gatwick gekauft und Fendi aus Langeweile während eines Urlaubs auf Lanzarote. Aber ich habe jeden Duft benutzt und die Flasche - je leerer sie wurde - peu à peu mit wunderbaren Erinnerungen an Orte, Erlebnisse und besondere Ereignisse aufgefüllt. Das jedoch ist lange her.

In den letzten 10 Jahren ist der Markt geradezu explodiert. So wurden 2018 ca. 5300 Düfte neu lanciert. Aktuell stehen 15 – 20 Flaschen in meinem Bad, etliche davon unbenutzt. Einige habe ich wegen des Flakons gekauft oder weil ich etwas über die Marke oder den Parfümeur gelesen habe, manchmal auch nur, weil ich sie einfach mögen wollte. Anstatt mir wie früher spontan vor dem Urlaub einen neuen Duft zu kaufen, nehme ich nun welche mit, um sie endlich mal zu tragen. Und ich benutze sie dann leider doch nicht. Mit anderen Worten: Es ist nicht nur sehr lange her, dass ich eine Flasche geleert habe, sondern auch, dass ich einen Duft mit einmaligen Erlebnissen und konkreten Erinnerungen verbinde.

Die Entscheidung für einen neuen Duft ist heutzutage meist weder spontan noch emotional, auch wenn Marketingexperten sich dieses noch so sehr wünschen. Zuvieles wird heute im Vorfeld bedacht und abgewogen . Der Duftverlauf wird über Tage hinweg, genauestens beobachtet, die olfaktorisch passende Ergänzung mit der eigenen Persönlichkeit wird berücksichtigt, die stylistische Abstimmung mit der Garderobe in Betracht gezogen, Anlass, Tageslaune, Jahreszeit und Klima beeinflussen die Entscheidung. Das klingt eher nach Stress als nach Spaß, oder?

Dabei ist es doch die Hauptaufgabe eines neuen Duftes, sich mit ihm wohlzufühlen. Ein Duft soll Spaß machen, für gute Laune sorgen, und vor allem soll er an die schönen Dinge im Leben erinnern. Das sollten wir immer im Hinterkopf haben. Denn wenn ein Duft dies nicht kann, hat er seinen Sinn verfehlt. Und ja, Parfums sind teuer! Aber haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass ein Essen zu zweit meist genauso teuer ist? Also seien Sie konsequent und trennen Sie sich von unbenutzten und ungeliebten Parfums. Freuen Sie sich auf die Liaison mit einem neuen, duftenden Begleiter. Es sei denn, Sie sind SammlerIn - aber das ist ein anderes Thema. Und leeren Sie einfach mal wieder eine Flasche und füllen sie mit wunderschönen Erinnerungen wieder auf.