Fliederliebe

Spätestens wenn der Flieder wieder in den Vorgärten blüht, ist der Winter endgültig vorbei und der Sommer steht vor der Tür. Zumindest war das früher so. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen wir nachts mit dem Fahrrad von der Disco nach Hause fuhren und der Duft der Fliederbüsche so schwer und üppig in der Dunkelheit hing, dass man den Flieder nicht einmal sehen konnte und es trotzdem unmöglich schien, einfach vorbeizufahren. Also haben wir damals eimerweise Flieder geklaut und daraus am nächsten Tag üppige, intensiv duftende Sträuße dekoriert, deren Parfum jeden Raumduft überflüssig machte. Heutzutage sind die Vorgärten in den Städten autofreundlich als Parkplätze betoniert und auf nächtlichen Fahrradtouren wird einem vermutlich eher das Fahrrad oder die Tasche geklaut, bevor man irgendwo einen Fliederbusch entdecken kann, zumal - dem Klimawandel sei es geschuldet - der Frühling sowieso immer öfter ausfällt.

 

Flieder-Düfte

 

Mit Gedichten wird er bedacht, beschrieben und besungen. Und immer geht es beim Flieder um den Frühling, um Romantik im Allgemeinen und um die Liebe im Besonderen. Ob Richard Wagner den verliebten Hans Sachs singen lässt „Wie duftet doch der Flieder so mild, so stark, so hold. Mir löst er weich die Glieder, will, dass ich was sagen soll“, oder Udo Jürgens feststellte, dass „Auch in Warschau jetzt schon der Flieder blüht und der Winter vorbei“ ist. Ganz zu schweigen von den diversen Sängerinnen und Sängern des berühmtesten aller Fliederlieder: Ob Richard Tauber, Willy Fritsch, Heinz Rühmann oder Zarah Leander, die Liste der Interpreten von „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ liest sich wie ein „who is who“ der deutschen Film- und Schlagergeschichte. Und trotzdem sind es vermutlich nicht so viele wie es Sorten von „Syringa vulgaris“ gibt. Über 400 Varianten werden beispielsweise in dem auf Fliederzucht spezialisierten Gartenbaubetrieb „piccoplant“ am Stadtrand von Oldenburg gezüchtet. In den 80er Jahren als kleines Forschungslabor gestartet, ist „piccoplant“ heute nicht nur einer der weltgrößten Fliederproduzenten und -exporteure, sondern auch eine der innovativsten Gärtnereien. Sozusagen keimfrei und in vitro werden hier auf einer speziell entwickelten Nährstofflösung u.a. auch seltene, historische Sorten aus Frankreich, Amerika und Russland geklont und gezüchtet. Überhaupt haben die Russen traditionell eine besondere Beziehung zum Flieder, unschwer zu erkennen u.a. in den Werken russischer Dichterikonen wie Pushkin, Dostojewski oder Tschechow. Früher Großabnehmer begehrter historischer Sorten mit klangvollen Namen wie „Ogny Donbassa“, „Polina Osipenko“ oder „Marshal Vasilevskiy“, muss Russland jetzt auf die begehrten Fliederlieferungen aus Deutschland verzichten.

Mir würde es ja ehrlich gesagt viel besser gefallen, wenn es Sorten gäbe, die länger oder gar ganzjährig blühen. Gibt es aber leider nicht. Selbst wenn der Flieder - wie in diesem Jahr - erst spät blüht und es darüber hinaus eher kühl ist, die Fliederblüte ist mit rund zwei Wochen eher kurz. Wem das zu wenig ist, der tröstet sich wie ich z.b. mit Olivia Giacobettis „En Passant“; ein monothematisch minimalistisches Duft-Kunstwerk, dem es gelingt, den frischen, bittersüßen, sanften und doch intensiven Duft der blühenden Fliederbüsche authentisch einzufangen. Obwohl es mittlerweile Verfahren zur Extraktion dieser ganz besonderen, nicht blumigen Blütennote gibt, sind gute Fliederparfums dennoch eine Rarität. Das Herstellungsverfahren ist teuer und authentische Fliedernoten selten. Für mich ein Grund mehr, die gut gemachten Fliederdüfte zu lieben, denn: Nur echter Flieder in einer warmen Mainacht auf dem Weg nach Hause duftet besser.



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