Getränkekarte
Mitte der 70er Jahre wurde die Universität Oldenburg gegründet und unser bis dato eher beschauliches Beamtenstädtchen wurde nach und nach nicht nur eine Universitäts- sondern auch eine Großstadt. Dies war u.a. unschwer zu erkennen an den bereits nach kurzer Zeit entstehenden Studentenkneipen. Statt „Ratsherrenstuben“ und „Bürgerfelder Krug“, hießen die angesagten Kneipen nun „Tönnchen“, Havanna“ oder „Gantenbein“. Dort saß man auf ausrangierten Plüschsofas und trank Apfelkorn für eine Mark. Zwar konnte man insbesondere bei mir mit einem Apfelkorn nicht wirklich punkten, aber dabei sein war alles. Davon abgesehen, erinnere ich mich, dass meine Getränke meistens süß waren und eher selten Alkohol enthielten. Schließlich war am nächsten Tag Schule und überhaupt galt es, die Kontrolle zu behalten. Während der Rest der Welt damals auf himmelhohen Platauschuhen zu Abba tanzte und Bowle, „Blonde Engel“ (eine Mischung aus Bluna und Eierlikör) oder „Persiko“ (ein ultrasüßer Kirschlikör) trank, war für mich damals ein Glas Asti Spumante von Cinzano der ultimative Luxus.
In den 80er Jahren zerteilte sich dann die Welt in Popper oder Punker und ich begann mein Studium. Unsere Kneipenszene wurde metropolentauglich. Vorbei war es mit Sofa und schummrigem Licht. Aus den Diskotheken wurden Clubs und statt in die Kneipe ging man nun in eine Bar. Die war meist mit hellem Neonlicht beleuchtet und hieß Tricopa, Metro oder Zartbitter. Ideal sang „Blaue Augen“ und New Order „Blue Monday“, während wir am Ramazotti oder Southern Comfort nippten. Und wenn es wild wurde, tranken wir solange Tequila mit Zitrone und Salz bis einer von uns stumpf vom Barhocker kippte und der Rest sich erbarmte, den- oder diejenige nach Hause zu bringen. Die Popper traf man damals entweder im „Renaissance“ oder im „Storchennest“. Insbesondere letzteres galt bei uns als Aufreißschuppen alter Männer für junge Mädchen. Es gab eine Einlasskontrolle mit Dresscode (Lacoste und Diesel ging immer), und man zahlte Mindestverzehr. Wer es geschafft hatte, reinzukommen, tanzte zu Toto oder Tears for Fears, trank Batida/Kirsch für 9,50 DM oder Tequila Sunrise für 16. Mann roch nach Chanel, Gucci oder KL und fand sich überhaupt trés chic. Versteht sich von selbst, dass ich weder Popper noch Punker sein wollte, sondern einfach nur cool.
Getränketechnisch läutete für mich Ende der 80er Jahre der Film „Cocktail“ eine neue Ära ein. In diesem Film sah Tom Cruise als aufstrebender Barkeeper ebenso gut aus, wie der Film schlecht war. Allerdings es gab einen tollen Soundtrack u.a. mit „Kokomo“ von den Beach Boys. Und während die „Aruba, Jamaica, ooh, I wanna take ya“ sangen, trank ich im wahren Leben am Eagle Beach auf Aruba die erste „Pina Colada“ meines Lebens und wollte fortan nie wieder etwas anderes. Also legte ich mir - wieder zuhause - nicht nur ein Rezeptbuch zu, sondern mit Shaker und Cocktailgläsern sowie diversen Alkoholika die Grundausstattung zum Cocktailmixen und versorgte fortan so gut wie jede/n BesucherIn mit einem selbstgemixten Cocktail; Kopfschmerzen inklusive.
In den 2000er Jahren entdeckte das deutsche Bildungsbürgertum slow living und den mediterranen Lifestyle mit Terracotta im Garten und erdfarben gewischten Wänden im Haus. Getrunken wurde ein „guter Roter“, den man während des Urlaubs auf einem kleinen Weingut in der Toskana entdeckt hatte und nun nebst exquisit kaltgepresstem Olivenöl auf knusprig selbstgebackenem Ciabatta zelebrierte. Währenddessen waren die Regale in den Supermärkten vollgestopft mit den sogenannten „Alkopops“; bunten Mixgetränke, die wie Limonade schmeckten, jedoch weitaus mehr Alkohol als beispielsweise Bier enthielten und plötzlich insbesondere bei Jugendlichen buchstäblich in aller Munde waren. Als Alkopops aus pädagogischen Gründen mit einer Sondersteuer belegt wurden, verschwanden sie mehrheitlich und glücklicherweise ebenso schnell wieder aus den Regalen, wie sie aufgetaucht waren.
Wer viel arbeitet, kann selten Alkohol trinken - zumindest wenn man wie ich auf Stress mit Kopfschmerzen und Migräne reagiert. Insofern sind meine Lieblingsgetränke seit vielen Jahren lieb gewonnene Urlaubsmitbringsel: Rum Punch von Antigua, Mojito aus Thailand oder Gin Tonic von Bali. Aber ehrlich gesagt, gefällt mir diese Mischung aus Urlaubserinnerung und Getränken, weil sie mich auch später zuhause an meine Lieblingsorte entführen. Gleiches gilt für die Parfums mit ihrem Duft und vielversprechenden Namen: Vom süß aromatischen „Wet Cherry Liquor“ bis zum karibisch frischen „Bahiana“, vom sophisticated belebenden „Gin Tonic“ bis zum „Ingenious Ginger“. Sie alle machen Lust exotische Destinationen und auf einspannte Abende unter dunklem Sternenhimmel. But last and not least bleibt festzuhalten, dass eisgekühlter Rosé Champagner immer und überall geht - als Getränk und als Duft. In diesem Sinne: Cheers!