Grün ist die Hoffnung

Grün ist die Hoffnung

Jeden Tag Sport, Alkohol reduzieren, nur noch Hafermilch, ab morgen „Zero Waste“ und Second Hand Klamotten? Ich glaube, jeder nimmt sich von Zeit zu Zeit vor, das eine oder andere zu überdenken, zu ersetzen oder darauf zu verzichten. Und das ist auch gut so! Allerdings, wer heutzutage nur hin und wieder auf tierische Produkte verzichtet, möglicherweise auch, um sich dem Thema überhaupt erst mal anzunähern, wird bestenfalls belächelt und schlimmstenfalls verurteilt á la: Entweder ist man Veganer oder man braucht gar nicht erst anzufangen.

Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich das erste Mal einen veganen Nagellack in der Hand hielt. Mein erster (zugegeben naiver) Gedanke damals: Wer will denn Nagellack essen? Das ist mehr als 15 Jahre her und Clean Beauty war damals ein Fremdwort. Heute weiß ich natürlich, dass Nagellack tierische Inhaltsstoffe wie z.B. Fischschuppen oder Läuse enthalten kann - von unnötigen Tierversuchen ganz zu schweigen. Und ich weiß, dass Veganismus sich keineswegs nur auf die Ernährung bezieht, sondern die gesamte Lebensweise umfasst - inklusive Missionsarbeit und Sendungsbewußtsein. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich finde es wichtig, auf meinen „ökologischen Fußabdruck“ zu achten, der im übrigen mehr als verbesserungsfähig ist. Trotzdem fällt es mir schwer, zu verstehen, dass es einen akuten Erbsen-Engpass gibt, weil Veganer und solche, die es werden wollen, Burger verlangen, die wie Fleisch aussehen und schmecken. Und dass Kunstleder und Kleidung aus Polyurethan und Polyester ökologisch korrekter sein sollen als Schuhe aus Leder, erschließt sich mir auch nicht immer.

Nichtsdestotrotz hat sich das Rad in den vergangenen Jahren mehrfach gedreht, und wir alle lernen täglich etwas dazu. Natur ist keineswegs immer das Maß aller Dinge und synthetische Produkte sind weder zwangsläufig schlecht noch billig. Vegan ist nicht grundsätzlich organic und Allergien sowie Unverträglichkeiten werden auch von bio-zertifizierten Stoffen ausgelöst. Aussagen wie „frei von Chemikalien“ klingen in der Werbung gut, sind aber letztendlich Blödsinn, weil sämtliche Inhaltsstoffe im engeren Sinne Chemikalien sind - unabhängig davon, ob sie aus der Natur stammen oder synthetisch sind. Unterm Strich gilt für mich: Kosmetik und auch Parfums dürfen bitte sehr gerne nachhaltig, vegan, clean oder organisch sein. Jedoch letztendlich muß mich das Produkt nicht nur konzeptionell überzeugen, sondern ich muß es mögen!

Was nützt die beste bio-zertifizierte, vegane Petersilien-Augencreme, wenn der Geruch Übelkeit verursacht und die Textur eine Katastrophe ist. Gleiches gilt natürlich auch für Parfums. In erster Linie muß mir der Duft gefallen. Und das war früher gerade bei Naturdüften gar nicht so einfach. Die Düfte wirkten oft platt und und waren eher simpel strukturiert. Sie blieben gefühlte drei Sekunden auf der Haut wahrnehmbar oder sind z.B. in der Form hochkonzentrierter „Attare" absurd teuer. Insofern bin ich mehr als froh, dass sich in Sachen Nachhaltigkeit auch in der Parfumerie nicht nur vieles bewegt, sondern dass dies nicht zu Lasten der Duftkompositionen geht. Das beginnt bei umweltfreundlichen Verpackungen mit einem möglichst kleinen „CO2-Fußabdruck“ und endet bei der Auswahl der verwendeten Rohstoffe. So fördert Maison Crivelli beispielsweise nachhaltige Anbaumethoden für Patchouli in Indonesien und Clean Reserve ist nicht nur erklärtermaßen „eco-conscious & sustainable“, sondern unterstützt seit Jahren gefährdete Bestäuberpopulationen wie Bienen oder Schmetterlinge. Andere nachhaltig konzipierte Marken wie z.B. Ormaie sind zu 100 % natürlich und vegan oder verwenden wie Obvious sowohl natürliche als auch saubere synthetische Rohstoffe. Denn, wie John Malloy, Gründer der Marke Hermetica Paris kürzlich in einem Interview sagte, „ist es ein Irrglaube zu denken, dass ein Parfum am grünsten ist, wenn es aus rein natürlichen Inhaltsstoffen besteht.“ Denn: “Es gibt diese verwurzelte Idee, dass Moleküle „schlecht“ sind und im Widerspruch zur Natur stehen. Das stimmt nicht - gerade sie können das perfekte Gegenstück zu natürlichen Ingredienzien sein und ersetzen vom Aussterben bedrohte Arten“. Dass Malloys umfangreiche Hermetica Kollektion der beste Beweis ist, dass nachhaltig konzipierte Parfums nicht nur in der Geruchsintensität mit herkömmlichen Parfums mithalten können, sondern auch in der Komposition der Duftnoten, versteht sich dabei von selbst.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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