Jogginghose oder Abendrobe?

Jogginghose oder Abendrobe?

Meine bestes Weihnachtsgeschenk? Das war eine Jogginghose. Ich habe sie anprobiert und nicht wieder ausgezogen. Dazu muss man wissen, dass ich ziemlich unsportlich bin. Deswegen ist dies auch meine erste Jogginghose. Und sieht sie in in unschuldigem naturweiß eher nach Schlafanzug aus, als nach Triathlon. Aber ich liebe sie.

"Jogginghosen sind das Zeichen einer Niederlage. Man hat die Kontrolle über sein Leben verloren, und dann geht man eben in Jogginghosen auf die Straße“ konstatierte Karl Lagerfeld 2012 in einer Talkshow. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich jemals auch nur ansatzweise in diesem Zitat wiedererkennen könnte. Im Gegenteil, meiner Meinung nach waren Joggingshosen ein Bekleidungsstück für Menschen, die den Tag auf der Couch verbringen und das Haus bestenfalls zum Einkaufen verlassen. Zugegebermaßen war dies vor dem Lockdown. Jetzt gehöre ich zwar unübersehbar selber zu den Menschen mit Kontrollverlust, dafür habe ich es in meinem Homeoffice mittlerweile richtig „hygge".

Seit ich im November „official“ durch „casual“ ersetzt habe, gewinnt der Comfort meiner Couch ebenso an Bedeutung wie die Bequemlichkeit meiner Outfits. Unser Zuhause ist sauber, aufgeräumt und gemütlich - und der tägliche Spaziergang das Highlight des Tages. Leider beobachte ich mich dabei, dass ich tatsächlich nicht immer genau weiß, welchen Wochentag wir gerade haben. Und dass ich meinen Geburtstag nicht vergessen habe, lag nur an Facebook und den netten Glückwünschen etlicher Onlineshops. Sozialwissenschaftler nennen diesen Zustand übrigens „Entkonturierung des Alltags“: Wenn Tage und Wochen ohne nennenswerte Unterbrechung zu einem einzigen Zeitbrei verschwimmen, verliert der Alltag seine Kontur. Was im jedoch keineswegs bedeutet, dass ich mein derzeitiges Leben als langweilig empfinde. Ganz im Gegenteil: Meine Tage sind entschleunigt, ruhig und entspannt. Und Jogginghosen sind dafür der äußerlich sichtbare Ausdruck. Insofern liegt es in der Natur der aktuellen Lage, dass Loungewear ein Megatrend ist und für Umsatzrekorde sorgt. Mein Mann schlussfolgerte also goldrichtig, dass Millionen Fliegen nicht irren können und landete mit seinem Weihnachtsgeschenk einen Volltreffer.

Seitdem sind wir ein unzertrennliches Paar. Nur zu Silvester wurde ich kurz untreu, weil ich dachte, ein festliches Kleid wäre vielleicht auch mal wieder schön. Aber ach, was soll ich sagen, selbst mit der Heizung auf Vollgas war das irgendwie nichts - zu ungemütlich, aufgesetzt und irgendwie unpassend. Langer Rede kurzer Sinn, meine Jogginghose begleitete mich auch ins neue Jahr. Nichtsdestotrotz war unser Silvesterabend „alone at home“ nicht ohne Highlights, zu denen ein festliches Abendessen ebenso gehörte wie Champagner. Selbst meine traditionelle Silvesterrakete mit drei Wünschen fürs kommende Jahr fehlte trotz Feuerwerksverkaufsverbot nicht, weil wir glücklicherweise noch zwei Raketen vom letzten Jahr im Keller hatten. Und das Beste: Statt auch in Sachen Duft auf die „Sneakerversion“ zu setzen, entschied ich mich für das Extrait von „Baccarat Rouge 540“, setzte damit einen festlich exklusiven Kontrapunkt zu meinem Bequem-Outfit. Zugleich warf dieser Duft für mich einen Blick ins Jahr 2021, wenn hoffentlich alles wieder halbwegs beim Alten sein wird, und wir es zuhause gemütlich haben werden und trotzdem wieder feiern, ausgehen und reisen können und dafür sorgen, dass wir nicht im Zeitbrei versinken. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein wunderbares und aufregendes neues Jahr 2021.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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