Konsumterror oder Optimierung?

Kennen Sie den Hashtag #instagrammademebuyit? Über 75.000 Produkte sind damit gekennzeichnet, weil sie aufgrund von Instagram-Werbung, Influencer-Marketing oder ansprechenden Produktpräsentationen gekauft wurden. Mitunter könnte ich diesen hashtag täglich verwenden, denn wenn derselbe Duft, dieselbe Tasche oder dieselben Sneaker zum hundertsten Mal in meinem Feed erscheinen, bin ich so gut wie überzeugt, dass mein Leben anders wäre, würde ich sie kaufen. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, dass ich letzte Woche eine Flasche Chanel No. 5 gekauft habe. Dabei ist Parfum so ziemlich das Einzige, das ich wirklich nicht dringend brauche, zumal ich diesen Duft bereits besitze und ihn noch nicht einmal besonders mag. Aber der Flakon, Mesdames et Messieurs, ist eine limitierte Edition und atemberaubend schön. Das dachte ich zumindest, als ich ihn spätabends mit einem Rabatt endlich in meinen Warenkorb legte - nachdem ich ihn wochenlang mehrmals täglich gesehen hatte. Als er dann auf meinem Tisch lag, war der Flakon natürlich wunderschön. Aber das war’s dann auch mit uns beiden. Kein Herzklopfen, kein Glücksgefühl, lediglich 50 ml Eau de Toilette in einem zugegebenermaßen hübschen Design und die Erkenntnis, dass Social Media als Marketingwerkzeug hervorragend funktioniert.

 

Diptyque Summer

 

Wie viele andere schätze ich Social Media im Allgemeinen und Instagram im Besonderen als Informationsquelle für die schönen und unterhaltsamen Dinge im Leben, besonders da ich ein visueller Mensch bin. Aber will ich wirklich von Algorithmen beeinflusst und manipuliert werden? Wem das absolut widerstrebt, sollte sich sofort abmelden und die App löschen. Wer jedoch das Dauerwerbeprogramm lediglich einschränken möchte, hat verschiedene Möglichkeiten: Man kann den Algorithmus so trainieren, dass er Inhalte anzeigt, die einen kaum zum Kauf verleiten - Katzenvideos sind hier eine gute Wahl. Man kann Accounts entfolgen, die zu oft Werbung oder gesponserte Inhalte posten. Oder man führt Einkaufs- und Wunschlisten, um Impulskäufe zu vermeiden. Ein andere Möglichkeit ist, sich vor jedem Kauf zu fragen, ob man das Produkt wirklich braucht. Auch das Festsetzen eines Limits für spontane Käufe ist ein Weg - es sei denn, man übt sich konsequenterweise gleich als Minimalist/in und konzentriert sich auf den Besitz nur weniger Dinge. Das ist zwar verantwortungsvoll und nachhaltiger, aber eben auch wenig glamourös und zudem spaßfrei.

Natürlich weiß ich, welche Mechanismen dazu führen, dass ich am liebsten alle Duftkerzen dieser Welt und meine Lieblingssneaker in jeder neuen Farbe kaufen möchte und mich auch für den 165. neuen Duft meiner Lieblingsmarke begeistern kann. Man interessiert sich eben einfach für Dinge, die man mag. Was andere komplett überflüssig finden, ist für manche Sammler der Heilige Gral. Ebenso wie sich ein Yves Saint Laurent „Libre“-Fan über den 30. Flanker freuen wird, bringen mich neue Kollektionen von Diptyque per se zum Strahlen. Der Grund: Das Design sieht jedes Jahr anders, aber immer wunderschön aus. Außerdem bin ich grundsäzlich gespannt, wenn es komplett neue Produkte gibt. Dass sie meistens limitiert sind, macht sie für mich umso begehrenswerter.

In unserer Überflussgesellschaft geht es schon lange nicht mehr um die Bedarfsdeckung und den reinen Warenfluss. Die Produzenten wollen ihre Gewinne maximieren und ich als Konsumentin möchte Originalität, Qualität und ein gutes Design. Ich will Emotionen und das einzigartige Glücksgefühl, wenn ich die perfekte Beute nach Hause tragen kann. Zugegebenermaßen ist das ein Spannungsfeld, das manche Konsumterror nennen, während es für mich bewusster Optimierungskonsum ist. Mir geht es nicht um irgendeine Duftkerze, ich möchte die jeweils beste Duftkerze. Also werde ich auch in Zukunft die limitierten Editionen von Diptyque und anderen Lieblingsmarken haben wollen. Und bei jedem neuen Bronzer werde ich das untrügliche Gefühl haben, dass er der Richtige ist. Und ich werde auch den 95. Vanille-Duft begehren - nicht, weil ich ihn brauche, sondern weil ich ihn einfach möchte. Und ich werde kein schlechtes Gewissen dabei haben, und das sollten Sie auch nicht. Denn was kann man schon gegen Optimierung sagen?



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