Let’s Get The Party Started

Es ist Oktober, die Tage werden kälter, und meine Mailbox füllt sich Tag für Tag mit Offerten jeglicher Art im Allgemeinen und der neuen Mode insbesondere. Unübersehbar und nicht zu ignorieren, hängen die neuen „Must Haves“ in den Läden und sollen nicht nur unser Lebensgefühl der nächsten sechs Monate einfangen, sondern auch schnellstmöglich in unsere Kleiderschränke wandern. Die Saison ist kurz und der pandemiebedingte Nachholbedarf von Händlern und Produzenten offensichtlich groß. Standen im vergangenen Winter hauptsächlich Funktionalität und Bequemlichkeit im Fokus, erwarten uns jetzt, tadaa …. Glanz und Glamour wie in den Roaring Twenties. Nach all den Monaten trister Jogginghosen-Einsamkeit und Homewear-Monotonie sollen wir wieder Lust bekommen, uns in Schale zu werfen und herauszuputzen. Wenn es nach den Designern und Editorials in den einschlägigen Fachzeitschriften geht, werden wir uns sozusagen „post Corona“ in dieser Saison extravagant und sexy im Partylook mit Glitzer, Glanz und Pailletten kleiden.

Bereits 1926 stellte der US-amerikanische Ökonom George W. Taylor einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Geschehen und der durchschnittlichen Länge von Damenröcken fest. Seine Erkenntnis, auch „Rocksaumtheorie“ genannt: Je besser die Konjunktur, desto kürzer der Rock. Taylors Fazit damals: Auf Wohlstand folgen Risikofreude und Optimismus. Das klingt als Konjunkturindex zugegebenermaßen etwas abenteuerlich, aber für Ökonomen und Konsumforscher ist der Rocksaum seitdem ein Indikator für das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft, was im Übrigen auch durch die statistische Auswertung entsprechender Daten seit 1921 wissenschaftlich bestätigt wurde. Mit anderen Worten: Tragen wir Mini, geht es uns gut - zumindest ökonomisch betrachtet und in der Regel mit einer Zeitverzögerung von ca. drei Jahren. Und was kombinieren wir sinnvollerweise zu unserem ultrakurzen Partydress? In dieser Saison definitiv hohe Absätze in Form von High Heels oder Plateauschuhen. Interessanterweise gibt auch die Höhe der Absätze Ökonomen und Konsumforschern Hinweise auf die wirtschaftliche Stabilität. So hat z.B. die Koreanerin Insook Ahn festgestellt, dass eine hohe Arbeitslosigkeit und kriselnde Wirtschaft die Absatzhöhe für die nächsten drei Jahre beeinflusste. Zu beobachten war dies u.a. in den 30er Jahren nach der großen Depression, der Ölkrise in den 70ern sowie 2000 nach dem Platzen der Dotcom-Blase. In allen Fällen wurden die Absätze signifikant höher. Der Grund dafür ist - so erklärt es zumindest der Forscher und Produktexperte Trevor Davis - dass "die Verbraucher in schwierigen Zeiten extravagante Mode als Mittel der Fantasie und Flucht brauchen.“ Bleibt die Frage: Geht es uns dank Minirock wirtschaftlich gut oder brauchen wir Glanz, Glamour und Stilettos, weil es uns so schlecht geht?

Wenn Sie mich fragen, sollte man derlei Theorien in einer Zeit, wo modisch gesehen ohnehin alles erlaubt ist, nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Nichtsdestotrotz bin ich für modische Abwechslung immer zu haben und habe mir zum Auftakt der Saison schonmal einen smaragdgrün glänzenden Mantel gekauft. In diesem Sinne freue ich mich auf die "Roaring Twenties 2.1“ mit Glitzer, Glam und Party, jedoch hoffentlich ohne Weltwirtschaftskrise wie im letzten Jahrhundert. Allerdings, in Glitzer-Mini und Killer-Heels werden Sie mich trotzdem nicht erleben, aber ein elegant schimmerndes Kleid samt glamourösem Duft tun es für den Anfang ja auch, oder? Auf alle Fälle bekommen meine Jogginghosen und Sneaker in dieser Saison erstmal eine Auszeit. Der Rest wird sich dann schon finden.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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