"Must Have" oder "Let it be"

"Must Have" oder "Let it be"

Etliche Wochen habe ich im vergangenen Jahr über den Kauf einer Tasche nachgedacht. Natürlich war es nicht irgendeine Tasche, sondern eine Bast-Tasche von Loewe sollte es sein. Das Problem bei der Sache? Tag für Tag wurde meine unbestreitbare Kaufbereitschaft auf’s Neue durch einen schier endlos erscheinenden Strom von Bildern im Netz - insbesondere auf Instagram - ebenso befeuert wie irritiert. Mal war es dieses Modell, dann wieder ein anderes. Obwohl ich es schon von Berufs wegen besser wissen sollte, funktioniert die visuelle Manipulationsmaschinerie leider auch bei mir. Das Motto: „Ich brauch Dich zwar nicht, aber ich will Dich trotzdem.“ Aber geht es beim Kauf von Luxus - ob Kleidung, Schuhe, Taschen oder Parfums - nicht genau darum?

Paul Poiret und Coco Chanel waren die ersten Designer (damals nannte man sie noch Couturiers), die bereits Anfang des letzten Jahrhunderts ein eigenes Parfum lancierten. Ursprünglich gedacht als besondere Aufmerksamkeit für ihre besten Kundinnen, merkte insbesondere Coco Chanel sehr schnell, dass sie den Erfolg ihrer Mode auf den Parfum-Bereich übertragen konnte und gründete 1924 mit Theophilus Bader und Ernest Wertheimer „Parfums Chanel“. Nur wenig später verkaufte sie die Rechte an Wertheimer, dessen Familie übrigens bis heute die Eigentümer sind. Insofern liegt es wohl auf der Hand, dass Mademoiselle Chanel den Verkauf schnell bereute, denn „Parfums Chanel“ wurde ein überaus profitables Geschäft.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Kosmetik und insbesondere Parfums von Luxus-Designer-Marken wie Armani, Dior, Chanel & Co
sind nicht selten gewinnbringender und bekannter als die Mode. So wissen beispielsweise die Fans von Comme des Garcons Parfums oftmals gar nicht, dass der Ursprung ein bis heute existierendes, japanisches Designerlabel ist. Und viele Liebhaber der Parfums von Maison Margiela oder Tom Ford haben sich noch nie für deren Mode interessiert. Dennoch funktioniert es nach wie vor, die Begehrtheit einer Fashion-Marke auch für Accessoires und Beautyprodukte gewinnbringend einzusetzen. Wenn auch selten so langanhaltend erfolgreich wie bei Chanel. Oder erinnern sie sich noch an die Mode von Hervé Leger, Montana oder Mugler?

Designer-Parfums sind der bezahlbare Glanz der unbezahlbaren Dinge. Interessanterweise ging Byredo übrigens unlängst den umgekehrten Weg und verkauft seit einiger Zeit eine Taschenkollektion. Nichtsdestotrotz sind die Zeiten, als man sich den Duft zur Tasche oder zum Kleid kaufte, vorbei. Im Gegenteil, auf den wahren Parfumconnaisseur wirken Designernamen beim Duft heutzutage eher abschreckend als animierend. Daher können Sie vermutlich meine Überraschung ahnen, als ich letztes Jahr feststellte, dass ich den Duft zu meiner Tasche längst besaß. Ob ich beides übrigens in umgekehrter Reihenfolge gekauft hätte, wage ich zu bezweifeln. Schließlich weiß ich nur zu gut, wie Marketing funktioniert.

Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.



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