Quel Luxe
Luxus. Allein das Wort lässt unsere Augen glänzen und die Herzen höher schlagen, oder? Doch was genau ist Luxus? Ist es die Designertasche, die teure Armbanduhr, goldene Wasserhähne im Badezimmer oder ein „Bespoke“ Parfum von Roja Dove? Luxus, so scheint es, ist das Sahnehäubchen im Leben, das gewisse Extra, von dem wir glauben, dass es uns von der grauen Masse abheben wird. Es ist ein Gefühl von Exklusivität und das Wissen, dass man etwas Besonderes besitzt oder erlebt. Luxus ist rar und begehrt, und trotzdem nicht zwangsläufig teuer.
Meine Großmutter sagte immer: „Wer billig kauft, kauft zweimal“. Gemeint hat sie damit allerdings nicht den Kauf von Luxusgütern, sondern auf Qualität zu achten. Gute Qualität hat zwar ihren Preis, hält dafür jedoch wesentlich länger, so zumindest ihr Credo. Und früher war das auch so, denn Massenkonsum im heutigen Sinne gab es nicht. Anschaffungen wurden mit Bedacht und Planung getätigt und wenn Geld nicht im Überfluss vorhanden war, musste alles möglichst lange halten. Markenware mit Garantie und Umtauschrecht war zwar schon immer teuer, mit Luxus- und Designerlabeln, wie man sie heute kennt, hatte das jedoch nichts zu tun. Es gab weder Designermode, noch Fast-Fashion und selbst Discounter standen Mitte der 70er Jahren bestenfalls in den Startlöchern. Stattdessen gab es Fachgeschäfte, Kauf- und Versandhäuser wie Quelle oder Otto. Wer es sich leisten konnte, legte Wert auf „Made in Germany“, oder wollte Marken wie Betty Barclay, Levis oder Esprit, die den „Duft der großen weiten Welt“ versprachen.
Natürlich gab es auch damals bereits Modehäuser wie Chanel und Dior, aber das war Haute Couture und für „Otto Normalverbraucher“ so sureal wie eine Shoppingtour auf dem Mond. Chanel und Dior kannte ich damals nur im Zusammenhang mit Parfum und Kosmetik, und als Marken, die einen ebensolchen Luxus verkörperten wie ein Besuch bei Douglas. Das sprach man seinerzeit übrigens glamourös amerikanisch „dagläss“ aus. Nachdem ich einmal todesmutig den Versuch gewagt hatte, dort schüchtern nach Proben zu fragen und daraufhin ziemlich arrogant abgefertigt wurde, bestaunte ich den "Tempel der Schönheit" lieber von draußen. Dabei wußte ich von einem Klassenkameraden, dass es dort jede Menge Proben gab. Da seine Mutter Douglas-Stammkundin war, besaß er eine ebenso große wie erlesene Sammlung von Parfum-Miniaturen, die seine Mutter bei jedem Einkauf geschenkt bekam.
So eine Sammlung wollte ich auch. Also lernte ich nicht nur, wie man Balmain und Yves Saint Laurent richtig aussprach, sondern ertauschte mir die ersten Minis für meinen Setzkasten. Die Beschaffung gestaltete sich allerdings nicht ganz so leicht wie gedacht, denn Miniaturen waren in der Regel „not for sale“. Also investierte ich fortan mein Taschengeld nebst Nachhilfehonorar in Mascara und Lipgloss von Chanel & Co., um beim Bezahlen mein Probenglück zu versuchen. Und manchmal bekam ich dann tatsächlich einen der begehrten Miniflakons. Unterm Strich war es jedoch ein teures und mühsames Unterfangen und meine Sammlung wuchs nur langsam. Nichtsdestotrotz waren diese Einkäufe für mich in jeder Hinsicht nicht nur der Inbegriff von Luxus, sondern auch der Beginn meiner Leidenschaft für Parfums.
Insofern ist die Frage - was Luxus ist oder nicht - letztendlich subjektivv. Zumal die Grenze zwischen Luxus, Wahnsinn und Dekadenz in Zeiten von Überfluss und allgemeinem Wohlstand fließend ist. Luxus ist, wenn es uns persönlich gut tut; Dekadenz hingegen will lediglich dem Rest der Welt demonstrieren, wie gut es einem geht und was man sich alles leisten kann. Dekadenz beginnt dort, wo der Nutzen aufhört und die Verschwendung anfängt. Ein Ferrari vor der Tür ist ein Luxusauto. Ein goldener Ferrari, der staubfrei, unbenutzt und nur zum Protzen in einem privaten Showroom steht, ist dekadent. Man könnte meinen, dass Luxus überflüssig ist, doch das wäre etwas zu kurz gedacht. Luxus ist zwar oft ein Statussymbol, aber eben auch eine Investition in unser Wohlbefinden. Wenn es mich glücklich macht und für meine Sammlung die Kirsche auf der Torte ist, dann hätte ich kein Problem, für 50 ml Parfum ein kleines Vermögen auszugeben. Sofern ich es mir leisten kann. Allerdings den Kumpels den neuesten „Pantydropper“ unter die Nase zu halten, ist einfach nur blöd, dekadent und hat mit Liebe zum Duft so gar nichts zu tun.
Luxus ist eine wunderbare Sache, solange wir uns nicht davon beherrschen lassen und uns abhängig machen. Luxus kann für besondere Momente sorgen und uns ein Gefühl von Exklusivität verleihen. Doch wie so oft im Leben, ist auch hier das Maß entscheidend. Ein bisschen Luxus schadet nie, solange wir nicht den Bezug zur Realität verlieren und in die Dekadenz abdriften. Denn am Ende eines Tages sind es nicht die goldenen Wasserhähne, die uns glücklich machen, sondern Menschen und Momente, die unser Leben bereichern. Und das ist - wenn sie mich fragen - der wahre Luxus.