Rock On

Es gibt nur wenig, über das ich soviel weiß und das mich gleichzeitig so gut wie gar nicht interessiert wie Rockmusik im Allgemeinen und Hard Rock im Besonderen. Seit Ewigkeiten spielt mein Mann als Gitarrist in einer Band. Zwar nur als Hobbymusiker, aber nichtsdestotrotz begeistert und ambitioniert. Im Klartext bedeutet das: Üben, Üben, Üben. Von der sorgfältigen Auswahl geeigneter Stücke, die man sich natürlich ausgiebig und in entsprechender Lautstärke anhören muss, einmal ganz abgesehen. Um es mit Frank Zappa zu sagen: “If you really love guitar, you’re going to spend every waking hour stroking the thing.” Tja, und ich sitze dabei seit Jahrzehnten sozusagen in der ersten Reihe. Nur führte in meinem speziellen Fall „viel gehört“ leider nicht zu „gern gehört“. Nichtsdestotrotz verhalf mir das lautstarke Hobby meines Gatten zu einem profunden Erfahrungswissen über sämtliche Spielarten des Hard Rocks sowie Bands, Songs und natürlich auch Gitarristen. Aber unabhängig davon, kommt man an Tony Iommi als Gründungsmitglied und Gitarrist der Band „Black Sabbath“ in mehr 50 Jahren Hard Rock-Geschichte kaum vorbei. Selbst wenn man sich nicht dafür interessiert.

Dabei kenne ich Black Sabbath tatsächlich schon sehr lange. 1969 von den Schulfreunden Ozzy Osbourne, Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward im englischen Birmingham gegründet, gilt die Band heute als Begründer des Hard Rock und ihr Gitarrist Tony Iommi als „Godfather of Heavy Metal“. Ein Verdienst übrigens, der Iommi 2013 sogar einen Ehrendoktor der Coventry University für die Erfindung des Heavy-Metals einbrachte. Dabei war seine Karriere als Gitarrist fast vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hatte: Ein Unfall in einer Konservenfabrik kostete ihn mit 16 Jahren zwei Fingerkuppen der rechten Hand mit der er als Linkshänder die Akkorde greift. Ein folgenschwerer Unfall, der sich - Ironie des Schicksals - genau einen Tag bevor er den Job ohnehin quittiert hätte, ereignete, der ihn jedoch andererseits dazu zwang, eine neue und stilprägende Spieltechnik zu entwickeln. Das ließ ihn letztendlich zu einem der größten Rockgitarristen aller Zeit werden.

 

 

Es war Tony Iommi, der für Black Sabbath die meisten Songs und 1970 auch ihren ersten großen Hit „Paranoid“ komponierte. Da war ich 13 Jahre alt, und der gesellschaftliche Höhepunkt meines Daseins war das allmonatlich am Samstag von 19.00 bis 22.00 Uhr im kirchlichen Gemeindehaus stattfindende „Beatfest“, das uns im weitesten Sinne als Konfirmanden wohl auf die Konfirmation vorbereiten sollte. De facto war es für mich, wie für viele andere meiner damaligen Altergenoss*innen, ein Initiationsritus, der sich letztendlich nicht immer bibelfest und kirchenkonform gestaltete. Wollte man beim „Beatfest“ wahrgenommen werden und nicht als Mauerblümchen wie bestellt und nicht abgeholt an der Wand stehen bleiben, waren neben den richtigen Klamotten, rudimentäre Kenntnisse der Rockmusik - die man damals übrigens in Abgrenzung zur Hitparadenmusik „progressiv“ nannte - verbunden mit dem passenden Tanzstil hilfreich. Was das Tanzen betrifft, konnte man einiges falsch machen, denn zuviel Bewegung war ebenso verpönt wie zu wenig. Es musste halt lässig wirken. Deshalb wartete man am besten auf rhythmisch simpel gestrickte Songs mit dem geringsten Peinlichkeitspotential, wie z.B. „Neanderthal Man“, „In-A-Gadda-Da-Vida“ und eben „Paranoid“ von Black Sabbath. Übrigens kann man sich anhand der Namen schon vorstellen, in welche, mitunter stumpfe Richtung das Ganze damals ging. Aber wenn alles gut lief, konnte man sich bei einigen Songs sogar „most progressive“ auf den Boden setzen und brauchte dann nur noch mit den Händen zu wedeln und gegebenenfalls zusätzlich zu den unvermeidlichen Gitarren- und Schlagzeugsoli die langen Haare schütteln.

Und jetzt begegnet mir fast 50 Jahre später wiederum Tony Iommi, und zwar ausgerechnet in Form eines „Celebrity“ Duftes. Etwas, das mich zugegebenermaßen fast noch weniger interessiert als Heavy Metal. Gleichwohl war mein Interesse geweckt. Denn im Gegensatz zu Rammstein, Britney Spears oder Jennifer Lopez kann es sich hier kaum um das schnelle Monetarisieren eines Lizenzproduktes handeln. Der neue Duft von Xerjoff, der offensichtlich in enger Zusammenarbeit mit Tony Iommi“ entstanden ist, befindet sich nicht so wirklich am Puls der Zeit - zumindest was die Massenkompatibilität betrifft: Der Duft ist teuer, speziell und sehr komplex. Sollte also die Kreation eines Massenseller das Ansinnen von Serge Momo gewesen sein, wäre eine Kooperation mit einer aktuellen Popgröße à la Cardi B, Travis Scott oder Kanye West sicher naheliegender gewesen. Was ist es also wirklich? Ich vermute: He is a fan! Denn unübersehbar haben sich bei diesem Projekt zwei Freunde und Gleichgesinnte getroffen: Ein Gitarrist mit einem Faible für exquisite Parfums und ein (ziemlich gut) Gitarre spielender Parfümeur. Herausgekommen ist dabei das sehr sehens- und hörenswerte „Scent of the Dark“ betitelte Musikvideo sowie ein Duft, der wahrscheinlich nicht jedes Männerherz zwischen 18 und 88 höher schlagen lässt, dafür aber mit seiner kultivierten und fast barock anmutenden Opulenz und Pudrigkeit jeden Romantiker begeistern wird - ob Heavy Metal Fan oder nicht

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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