Süßer die Glocken nie klingen …?

Süßer die Glocken nie klingen …?

Ja, das Weihnachsfest 2020 ist ein ganz Besonderes. Es gibt wohl kaum ein Fest, über das mehr gesprochen wird - seit Wochen. Und doch will sich - zumindest bei mir - die richtige Weihnachtsstimmung nicht einstellen. Dabei sind es nur noch 10 Tage bis zum großen Ereignis. Bis heute weiß ich weder, ob ich endlich konkret planen kann, noch wer wann kommen kann oder welche Geschenke noch besorgt werden müssen. Ich habe das Gefühl, dass in diesem Jahr all das, was eigentlich Spaß machen sollte, zu einer logistischen Herausforderung wird. War es unlängst der Urlaub, bewegt uns nun die Frage, wie wir Weihnachten feiern können.

Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwierig. Sollte man zumindest meinen. Nehmen Sie z.B. meine Familie. Mit insgesamt drei Geschwistern liegen wir sogar über dem statistischen Durchschnitt der deutschen Familie seit den 60er Jahren - geburtenstarke Jahrgänge inklusive. Trotzdem waren wir an den Feitagen niemals mehr als 5 Erwachsene plus Kinder. Selbst wenn meine alleinstehende Tante Wilma mitfeierte, war dies nicht der Fall. Bei uns lief Weihnachten immer folgendermaßen ab: Am 24. fuhren wir am späten Nachmittag zu meinen Großeltern mütterlicherseits, anschließend - wieder zuhause - gab es bei meinen Eltern die Bescherung für mich und meine zwei Schwestern. Der erste Weihnachtstag war frei und am zweiten Weihnachtstag ging es zu den Großeltern väterlicherseits. 1,72 Kinder hat die deutsche Durchschnittsfamilie 2020. Eine Zahl, die übrigens nur unwesentlich über den statistischen 1,5 Kindern der heutigen Großeltern aus den Jahrgängen um 1965 liegt. Insofern sollte unser diesjähriges Familien-Lock Down-Weihnachtsfest zumindest rein rechnerisch eigentlich kein Problem sein, oder?

Offensichtlich ist es aber doch ein Problem, und wenn man den vielen „Frequently Asked Questions“ zum Thema Kontaktbeschränkung auf den Infoseiten der Bundesländer Glauben schenkt, ein ziemlich großes überdies. Dabei hat sich im Wesentlichen nicht die Anzahl der Kinder und damit die Haushaltsgröße der Deutschen verändert, sondern vielmehr unsere Vorstellung von der Lebensform „Familie“. Das Kernmodell Mutter-Vater-Kind ist nach wie vor ebenso beliebt wie ehedem, übrigens auch unter jungen Menschen. Verändert haben sich allerdings die gelebten Formen familiären Lebens, und die sind im Laufe der Jahre vielfältiger geworden. Abgesehen davon, dass erwachsene Kinder immer später Zuhause ausziehen und es immer mehr Singlehaushalte gibt, existieren neben der konventionellen Klein- oder Großfamilie, heute weitere Formen familiären Zusammenlebens wie Patchworkfamilien, Freundeskreis-Wahlfamilien oder Regenbogenfamilien. Ein Blick in die Weihnachtsausgaben der einschlägigen Hochglanz-Magazine gibt z.B. mit detaillierten „Geschenkeguides“ für Elter, Schwiegermutter und Stiefvater, beste Freundin, Lieblingstante und Patenonkel, Vettern und Cousinen, Schwägerinnen und Schwager, Geschwister, Nichten und Neffen, Seelenverwandte oder Yogalehrer einen mehr als beredten Einblick. Mit anderen Worten: Es ist nicht nur die Kernfamilie, die an Weihnachten mit Besuchen und Aufmerksamkeit mitsamt Geschenk bedacht wird. So gesehen, kann die Beschränkung auf nur fünf Personen plus Kindern mitunter dann doch ein Problem werden, zumindest wenn man alle zur gleichen Zeit treffen will.

Gleichwohl, es ist wie es ist, und alles Lamentieren macht unsere Laune auch nicht besser. Warum also nicht die Chance nutzen und Weihnachten einfach mal anders genießen. Statt des üblichen „Last Minute Shopping Overkills“ mit anschließendem „Vorglühen“ auf dem Weihnachtsmarkt sollten wir die Gelegenheit nutzen, den Heiligen Abend in diesem Jahr einfach mal etwas gemächlicher und bedachter zu begehen - also mit wenigen Leuten feiern, denen man dafür aber die ungeteilte Aufmerksamkeit schenken kann. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir genau das eigentlich immer gewünscht: Kein Besuchsmarathon an den Feiertagen, kein 24.12., den ich bis in den späten Nachmittag immer noch in meinem Laden verbracht habe, weil Kunden sich nicht entscheiden konnten oder die Wartezeit bis zum weihnachtlichen Umtrunk mit Freunden bei mir überbrücken wollten. Übrigens, sollten sie noch ein paar hübsche Geschenke für Ihre Lieben benötigen, werden Sie auch mit Lockdown garantiert auch online fündig. Und Sie brauchen nicht einmal mal vor die Tür zu gehen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein ebenso besinnliches wie fröhliches Weihnachtsfest 2020.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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