The Other Side Of Oud

Vor kurzem war ich auf einer Duftpräsentation und hatte dort u.a. die Gelegenheit, den Stoff zu riechen aus dem Duftträume gewoben werden. Die Rede ist von Oud, teurer als Gold, weltweit begehrt und ein Duftstoff, dem man bereits seit dem Altertum nachsagt, dass er wie ein Aphrodisiakum wirkt. Beispielsweise soll man in Basaren arabischer Länder Einheimische beobachten können, die sich über Räuchergefäße stellen, in denen Adlerholz in kleinen Schnitzen verräuchert wird, und die sich so mit Oud parfümieren. Ein Schelm, wer sich dabei nichts denkt. Und auch Sindbad der Seefahrer geriet angesichts „von hunderttausend Töpfen mit indischem Aloeholz“ völlig aus der Fassung, die er nebst einem Bett aus der Haut einer Schlange, die einen Elefanten verschluckt hatte, sowie einem aus einem einzigen Rubin geschnittenen Becher als Geschenk an den legendären Kalifen von Bagdad Harun al Raschid überbringen sollte. Kurz und gut: Oud hat die besten Voraussetzungen für eine legendäre Erfolgsgeschichte.

Gewonnen wird der begehrte Duftstoff aus Adlerholz, auch Aloe- Jinko- oder Agarwood genannt. Um das echte und damit kostbare Oud zu gewinnen, bedarf es allerdings noch einer Kleinigkeit mehr, nämlich den Besuch eines Insektes, das sich nicht nur erfolgreich durch die Baumrinde frisst, sondern dabei auch noch diverse Pilzarten überträgt. Quasi als Abwehrreaktion gegen die Pilzinfektion, aber auch sonstige Verletzungen, verdichtet und repariert sich der Adlerholzbaum quasi von innen heraus, indem er ein Harz produziert. Ein Prozess, der durchaus Jahrzehnte oder mitunter Jahrhunderte andauern und den Baum schlussendlich unfaßbar wertvoll machen kann. Destilliert man dieses im Laufe vieler Jahrzehnte durch das Harz steinhart gewordene Adlerholz, erhält man das begehrte Oud-Öl. Die Grundregel: Je länger der Pilzbefall, desto besser die Qualität, desto kostbarer das Öl. Dabei weiß man inzwischen, dass nur 8 von 44 Adlerholzarten den begehrten Stoff überhaupt produzieren. Das wiederum bedeutet, dass die meisten natürlichen Adlerholz-Baumbestände mittlerweile buchstäblich „verduftet“ und unwiederbringlich verloren sind, zumal man den Bäumen von außen leider nicht ansieht, ob und in welcher Qualität und Menge sich das begehrte Oud in ihrem Innern finden lässt. Davon abgesehen hat mir ein Parfumeur einmal verraten, dass die wirklich herausragenden Qualitäten ohnehin nicht auf den freien Markt kommen, sondern gleich in den arabischen Königshäusern verschwinden. Aber der Mensch wäre natürlich nicht der Mensch, wenn er nicht versuchen würde, den begehrten Duftstoff anderweitig zu beschaffen oder herzustellen. Die Synthese scheint nach wie vor schwierig zu sein, weil noch immer nicht sämtliche Komponenten entschlüsselt sind. Und auch der Plantagenanbau von Adlerholzbäumen ist längst nicht ausgereift, denn in den natürlichen Beständen werden die Bäume von verschiedenen Pilzkulturen befallen. “Welche davon für den Duft des Holzes verantwortlich sind, wissen wir noch nicht“, erklärte Forscher Claudio Cerboncini 2017 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

 

The Other Side Of Oud

 

Der erste „westliche“ Oudduft wurde 2002 von Alberto Morillas für Yves Saint Laurent kreiert. M7 gilt heute als Meisterwerk, das seiner Zeit weit voraus, jedoch damals wenig erfolgreich war. Seit um 2010 herum Ouddüfte endgültig die westliche Hemisphäre erreichten, ist der Markt quasi explodiert. Pierre Montale war damals einer der ersten, der Oud als Duftnote erfolgreich in Parfums einsetzte. Zudem schien Oud für den immer beliebter werdenden Nischenmarkt der perfekte Rohstoff zu sein. Heute gibt es nichts, was es nicht gibt, und selbst reine Oudmarken haben Erfolg. Allein 6548 Düfte mit Oud führt beispielsweise die Parfumo-Datenbank. Und da sind die Düfte, die laotisches, kambodschanisches, indisches, nepalesisches, vietnamesisches, arabisches oder woher-auch-immer-Oud oder auch nur simples Adlerholz enthalten, noch nicht einmal mitgezählt. Es hat also durchaus seinen Grund, wenn Romano Ricci von Juliette Has A Gun seinen Duft ebenso augenzwinkernd wie doppeldeutig „Another Oud“ nennt. Da stellt sich natürlich nicht nur die Frage „Woher kommt das viele Oud in den Parfums?“ sondern auch „Ist womöglich nicht überall (viel) Oud drin, wo Oud draufsteht?“ Mit anderen Worten: Ist es möglicherweise doch nur Marketing, das unsere Gier nach Luxus befeuert und so für den andauernden Hype und die ungebrochene Faszination für den teuersten Duftstoff der Welt sorgt?

Wenn ich ehrlich bin, erschließt es sich mir nicht unbedingt, warum man tatsächlich nach einer Mischung aus dunkel gegerbtem Leder, Rauch, krautiger Erde, einem Hauch von Urin und als Topping noch Kuhmist riechen möchte. So in etwa wird der Geruch von Oud bester Provenienz beschrieben und so in etwa habe ich es auch empfunden als ich kürzlich reines Oud gerochen habe. Meinen Mann würde ich damit jedenfalls nicht rumkriegen - selbst wenn ich Stunden über dem Räucherfass hängen würde. Aber gut, das wäre natürlich auch mit Zibet, Bibergeil und Ambra frisch von der Walflosse vermutlich nicht der Fall. Aber vermutlich ist es ja auch allein die Vision und Kunst der Parfümeure, Oud für unsere westlichen Nasen zu interpretieren und damit geschmeidig zu machen. Wie gut das nämlich gelingen kann, erkennt Jeder auf Anhieb, der nur einmal an Kurkdjians „Oud Satin Mood“ , Initios „Oud for Happiness“ oder Atkinsons „The Other Side of Oud“ schnuppert. Wunderschöne Düfte, aber für mich sind sie das bestenfalls trotz Oud und nicht wegen. Nichtsdestotrotz „de gustibus non est disputandum“ - über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Ich jedenfalls könnte gut auf das original oudige Oud verzichten, von den letzten noch verbliebenen, uralten und aus Geldgier bedrohten Adlerholzbäumen einmal ganz abgesehen.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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