Und jedes Molekül bewegt sich

Und jedes Molekül bewegt sich

Ist es Ihnen auch schon passiert, dass eine versierte Verkäuferin einen Luxuspreis allein damit rechtfertigen wollte, indem sie schlicht behauptete, dass der Duft ja schließlich auch aus rein natürlichen Ingredienzien besteht? Dieses unschlagbare Verkaufsargument ist in der Zwischenzeit von „Ich habe da noch etwas ganz besonders Seltenes für Sie: echte Molekularparfums“ abgelöst worden. Der aufgeklärte Parfum-User, zu denen ich Sie selbstverständlich zähle, weiß natürlich, dass das eine in der Regel ebensolcher Quatsch ist, wie das andere.

Moleküle sind zwei- oder mehratomige Teilchen, die durch chemische Bindungen zusammengehalten werden. Ein Molekül kann dabei aus mehreren gleichen oder verschiedenen Atomen bestehen. Das bedeutet, dass sich im Prinzip jeder (Duft)stoff - ob natürlich oder synthetisch - aus Molekülen zusammensetzt. So besteht natürliches Rosenöl z.B. aus Citronellol, Geraniol, Phenylethylalkohol und Linalool. Aus den gleichen Komponenten besteht auch synthetisches Rosenöl. Dabei gilt für Duftstoffe ebenso wie für Textilien: Es gibt billige, giftbelastete oder fragwürdig aufbereitete Naturstoffe, und es gibt sehr teure, clean und aufwändig im Labor produzierte Synthetics.

Allerdings, so wie es nur wenige Düfte und Marken gibt, die gänzlich auf synthetische oder naturidentische Duftstoffe verzichten, sind auch die rein synthetischen Parfummarken eher selten. In der Regel ist ein Parfum eine Komposition aus synthetischen und natürlichen Ingredienzien, zumal heutzutage die Verwendung von Naturstoffen wie Ambra, Moschus, Zibet oder Bibergeil schon aus Gründen des Artenschutzes äußerst fragwürdig ist.

Bereits 1921 wurden mit dem Einsatz von Aldehyden, die ersten teilsynthetischen Parfums kreiert. Parfumeur Andy Tauer sagte zur Bedeutung der Aldehyde für die Parfumerie mal, es sei, „als habe jemand im Labor das Licht eingeschaltet.“ Auch einen der größten Parfum-Klassiker, das berühmte Chanel No 5, würde es ohne Aldehyde nicht geben. Synthetische Duftkomponenten machen einiges früher Undenkbare möglich: Seien es Duftnoten wie Mango, Tinte oder altes Papier, als Booster, um andere Duftnoten erstrahlen zu lassen oder als Fixativnoten, die einen fragilen Duft lange auf der Haut halten. Ohne Iso E Super wäre z.B. der riesige Erfolg von Molecule 01 nicht möglich. Das Geheimnis: Eine unglaublich hohe Intensität und Konzentration des frischen, holzig-herben Duftstoffes und sonst nichts außer Alkohol. Nun muss man wissen, dass Iso E Super in großer Menge gesprüht, einen Großteil der Riechrezeptoren seines Trägers belegt, d.h. wenn Sie diesen Duft tragen, haben Sie im wahrsten Sinne des Wortes sehr schnell „die Nase voll“. Deshalb riechen Sie selber oft nur den Alkohol, jedoch nicht den Duft. Und dann denkt man, er sei weg, verflogen, gekippt - eben nicht wahrnehmbar. In Wirklichkeit ist es jedoch so, als würden Sie mit einer riesigen, sonnengelben Fahne in einem Meer von schwarz durch die Gegend laufen. Eine Fahne, die fast jeden fasziniert und die jeder haben möchte. Sie merken schon, worauf es hinaus läuft: Kaum ein Duft garantiert ihnen mehr unvermutete Aufmerksamkeit als Molecule 01 - es sei denn, ihr Gegenüber kennt den Duft bereits. Übrigens, auch wenn dies immer mal wieder gern behauptet wird: Mit Pheromonen hat das Ganze so gar nichts zu tun. Und bei der Gelegenheit gibt es hier noch einen kleinen Tipp für Molecule 01 Fans: Sprühen Sie den Duft auf Ihre Kleidung und Sie werden ihn tage- und manchmal sogar wochenlang riechen.

Aber es gibt natürlich weitere interessante, synthetische Duftkomponenten wie beispielsweise Ambroxan, das Sie u.a. in „Not a Perfume“ oder Molecule 02 als Mono Duftstoff finden. Ambroxan, auch Ambrox oder Cetalox® genannt, ist nicht nur das subtile Gegenteil von Iso E Super, sondern auch wesentlich teurer. Wie überhaupt mittlerweile Ambroxan das neue Iso E Super zu sein scheint. Kam in den letzten 15 Jahren kaum ein Bestseller ohne Iso E Super aus, findet man jetzt allenthalben das subtil, herb pudrige Ambroxan. Wie überhaupt die sogenannten „Molekül“-Marken und -düfte aktuell sehr en vogue sind. Mit ihren meist klaren Konzepten und sachlichen Designs treffen Sie nicht nur den Nerv der Zeit, sondern bereichern auch die moderne Parfümerie um eine interessante Nuance. Das ist angesichts der Escentric Molecules, die von Geza Schön bereits 2006 kreiert wurden, sicher nicht (mehr) die Avantgarde der Avantgarde, aber innovativ und interessant sind diese Düfte allemal.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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