Mumien, Monstren, Mutationen

Mit den heiser geflüsterten Worten „Mumien, Monstren, Mutationen“ öffnete sich Ende der 60er Jahre mit lautem Quietschen die Tür zu einer neuen (Film- und TV-)Welt. Von „Dracula“ bis „Psycho“ zeigte das „Gruselkabinett“ die Klassiker des Horrorfilms. Übrigens, erstaunlicherweise jeweils zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr. Was heute undenkbar wäre, war damals kein Problem, denn garantiert hieß es nicht nur für mich spätestens um 19.00 Uhr: „Zapfenstreich“ - und das bedeutete ausnahmslos Bettzeit. Insofern fand die Premiere des Gruselkabinetts am 28. Januar 1969 mit der Ausstrahlung von „Frankenstein“ leider ohne mich statt - zumindest offiziell. Denn wie man weiß, macht alles Verbotene erst recht neugierig. Also hieß es, die Schlafenszeit mit allerlei Tricks zu weit wie irgend möglich hinauszuzögern, durch den hoffentlich offenen Türspalt zumindest etwas zu hören oder - wenn es ganz gut lief - sich unbemerkt ins Wohnzimmer zu schleichen und hinter einem der großen Sessel zu verstecken. Das funktionierte nicht immer, aber immer mal wieder. Bis heute kann ich allerdings nicht sagen, was aufregender war: Sich nicht an das Verbot zu halten oder der Film, von dem ich ohnehin so gut wie nichts mitbekam. Die meiste Zeit hatte ich die Hände vor den Augen, aus Furcht vor dem, was ich eventuell sehen könnte.

Heute wirken die schaurig schönen Grusel-Klassiker aus den 30er Jahren eher wie Kintopp und selten bedrohlich oder angsteinflößend. Angesichts aktueller Zombie-Apokalypsen wie „The Walking Dead“, Science-Fiction Horrorfilmen á la „Alien“ oder dystopischen Dramen wie „The Handmaid’s Tale“ wirkt selbst der 70er Jahre Slasher-Kultfilm „Halloween“ eher betulich und vorhersehbar langweilig. Zumindest war dies mein Eindruck, als ich mir den Film vor ein paar Wochen nochmal angeschaut habe. 1978 hingegen haben wir ewig darüber diskutiert, woher Jamie Lee Curtis alias Laurie Strode plötzlich das Messer hatte, das sie Michael Myers letztendlich in die Brust rammte (Es lag übrigens auf dem Sofa, wohin Myers es fallen ließ). Es gab eben seinerzeit weder alljährliche Wiederholungen noch Streamingportale.

Aber nicht alles vermeintlich gruselige war es wirklich. So ist Frankensteins Monster aus heutiger Sicht eher Opfer als Täter und Dr. Jekyll litt vermutlich an einer multiplen Persönlichkeitsstörung. Außerdem, mal ehrlich, wer hätte sich nicht von Gary Oldman alias Dracula in Francis Ford Coppolas „Bram Stoker’s Dracula“ entführen oder sich von Brad Pitt in „Interview mit einem Vampir“ in einen Blutsauger verwandeln lassen? Eben! In den 30er Jahren jedoch, als Genreklassiker wie Nosferatu, Dracula und eben Frankenstein verfilmt wurden, waren messerscharfe Vampirzähne an Frauenhälsen oder mit Leichenteilen experimentierende, manische Wissenschaftler wirklich gruselig. Zumal das expressionistisch schwarz-weiße Schattenspiel der alten Filme die düstere Atmosphäre noch steigerten.

Insofern kann man sich nur allzu gut vorstellen, wie aufsehenerregend Anfang des 19. Jahrhunderts die Veröffentlichung von „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ war. In Ihrem Schauerroman erzählt die 20-jährige Mary Shelley die Geschichte von Viktor Frankenstein, der an der damals berühmten Universität Ingolstadt aus Leichenteilen mittels Elektrizität einen künstlichen Menschen (besser bekannt als Frankensteins Monster) erschafft. Dazu muss man wissen, dass nur wenige Jahre zuvor mit der Erfindung der ersten Batterie nicht nur das Zeitalter der Elektrizität begonnen hatte, sondern in der Folge auch ungewöhnliche Experimente u.a. an toten Lebewesen durchgeführt wurden. Und die waren zugebenermaßen wirklich gruselig. So erforschten z.B. die nach dem italienischen Arzt Luigi Galvani benannten Galvanisten im ausgehenden 18. Jahrhundert Muskelkontraktionen durch Elektrizität. Berichtet wird z.B. von „galvanischen Experimenten“ am Leichnam des in London hingerichteten Doppelmörders George Forster, dessen durch Stromstöße hervorgerufene Muskelkontraktionen die Anwesenden dermaßen erschrecken ließ, dass sie meinten, der Hingerichtete würde wieder zum Leben erweckt werden. Aus heutiger Sicht betrachtet war dies übrigens quasi die Kinderstube des in jeder Vorabend-Arztserie dutzendfach angewandten „Defibrillators“ zur Herz-Lungen-Wiederbelebung mittels Elektroschock. Sie sehen also, was damals schaurig war, ist heute mitunter alltäglich.

Ganz und gar nicht alltäglich ist Trudons Hommage an Mary Shelley, die heute als eine der wesentlichen AutorInnen der Romantik gilt. Pünktlich zu Halloween kommt „Mary“ im mattschwarz edlen Gothic-Dekor und betört mit einem kühnen Mix aus berauschenden Gewürzen, einer Prise Tabak, Zedernholz, weichem Amber und ein paar alten Buchseiten. Wunderschön, romantisch und ganz und gar passend nicht nur für die dunkle Jahreszeit, sondern auch für einen schaurig schönen Filmabend. Der Fürst der Finsternis kommt sicher gern.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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