Wann ist man ein Mann?

Wann ist man ein Mann?

Früher … da saßen richtige Kerle abends mit einer Büchse Bohnen am Lagerfeuer, wuschen sich in eiskalten Gebirgsbächen oder sprangen halbnackt und sexy von hohen Klippen. Parfum war etwas für Damen oder solche, die sich dafür hielten. Echte Männer ließen im Zweifel nur „Wasser und CD“ an ihre Haut. Selbst der kultivierte Herr unterstrich allerhöchstens mit einem dezentem Lavendel -oder Vetiver-Duftwasser seine Eleganz und verband dieses Ritual zweckgerichtet mit der täglichen Rasur. Damit kam der Ruch des „Weibischen“ gar nicht erst auf und keiner auf abwegige Gedanken. Schließlich handelte es sich um ein Rasierwasser, und hatte damit einen eindeutig maskulinen Sinn und Zweck. Quasi wie „Wasser und Seife“ - nur besser.

Kein Wunder, dass Herrenparfums damals fast ausschließlich mit dem Zusatz „for man“, „pour homme“ oder „Sport“ funktionierten. Nichtdestotrotz machte sich bereits 1976 Jean Laporte in Paris mit der Gründung von L'Artisan Parfumeur bereit, einen anderen Weg zu beschreiten und war damit seiner Zeit weit voraus. Schon die ersten Kreationen waren weder eindeutig feminin noch maskulin, sondern konzentrierten sich auf die Ingredienzien und ließen ansonsten jeglichen Spielraum für persönliche Vorieben.

Allerdings dauerte es noch ein paar Jahre bis dieser emanzipatorische Ansatz in der breiten Masse angekommen war. 1984 besang Herbert Grönemeyer auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Frauenbewegung, den emotionalen Spagat der Männerwelt, der in der Frage gipfelte: „Wann ist ein Mann ein Mann?“ Und die FAZ schrieb damals: „Herbert Grönemeyer rührt an den Nerv des Zeitgeists, wenn er stilisierte „coolness“ mit unwiderstehlichem Charme auflädt, wenn er hinter dem Rollenspiel des melancholischen Softies die insistierende Härte des Macho-Manns spüren läßt.“ Harte Zeiten für coole Männer kann man da nur sagen.

Zumindest in Sachen Duft wurde es nach 1992 etwas leichter als Calvin Klein mit „CK One“ mit großem Erfolg zum ersten Mal einen massenkompatiblen Duft lancierte, der sich erklärtermaßen ebenso an junge Männer wie an junge Frauen wandte. Und als David Beckham, seines Zeichens britische Fußballikone, zwei Jahre später nicht nur mit Zöpfchen und Nagellack übers Fussballfeld rannte, sondern sich auch dazu bekannte, hin und wieder mal die Unterwäsche seiner Gattin Victoria zu tragen stand die Männerwelt Kopf und Frauen rieben sich verwundert die Augen. „Metrosexuell“, zusammengesetzt aus „metropolitan“ und „heterosexuell“, versuchte diesen Lifestyle begrifflich auf den Punkt zu bringen. Gemeint waren heterosexuelle Männer, die keinen gesteigerten Wert auf ein traditionell maskulines Rollenbild legten.

Das war eine Entwicklung, die der langsam aufkommenden Nischenparfümerie durchaus Auftrieb gab. Plötzlich schien es nicht mehr so wichtig, sich auf „men only“ zu fixieren, denn dank Calvin Klein war unisex nicht nur en vogue , sondern die Grenzen zwischen maskulin und feminin zunehmend fließend, sowohl in der Mode als auch in der Parfümerie. Hauptsache individuell, war die Devise. Dabei hat die Nischenparfümerie damals eigentlich nur aus der Not eine Tugend gemacht, denn die meisten der unabhängigen kleinen Label hatten schlicht nicht die Mittel für unterschiedliche Flakons. Also gab es Einheitsflakons und darin Düfte, die prinzipiell unisex sind. Übrigens fand ich schon damals den Begriff „unisex“ unglücklich - unisex ist und war für mich immer „no sex“! Und wer will das schon! Aber: Der Einheitslook der Flaschen machte es so viel einfacher, sich dem Thema Duft unvoreingenommen und außerhalb gängiger Klischees zu widmen. Es ging ausschließlich um den Inhalt und nicht um das Etikett. Sie mögen Rosen, Vanille oder Zuckerwatte? Warum dann nicht auch danach duften. Egal ob als Mann oder Frau. Denn: Eine Zitrone ist eine Zitrone; und die ist weder maskulin noch feminin, sondern man mag sie oder man mag sie eben nicht. De gustibus non est disputandum - Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Man hat ihn einfach und nimmt was man mag!

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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