Wenn jemand eine Reise tut

Wenn jemand eine Reise tut

Einfach mal wieder Flughafenatmosphäre erleben, an einem weißen Strand liegen, die Sonne genießen, ungezwungen essen gehen und auf irgendeinem exotischen Markt etwas kaufen, das man garantiert nicht braucht. Mit anderen Worten: Einfach mal wieder unbeschwert zu verreisen, das wäre schön! Dabei fühle ich mich nicht einmal urlaubsreif - zumindest nicht im eigentlichen Sinne. Aber nach zwei Jahren mehr oder weniger @home habe ich Lust, mal wieder etwas anderes zu sehen als meinen gewohnten Radius von 2 Kilometern beim täglichen Spaziergang.

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was (v)erzählen“, fabulierte einst der Dichter Matthias Claudius im Jahr 1775. Das war zu einer Zeit, in der es sich nur wenige erlauben konnten, überhaupt zu reisen. Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts vergrößerte sich die Zahl der Reisenden. Die damalige „Sehnsucht nach dem Unendlichen, dem Vergnügen und sich selbst finden“ entsprach dem Zeitgeist der Romantik und gipfelte in der Erkenntnis Goethes: „Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen“. Welch Luxus, möchte man dazu heute sagen. In Zeiten von Virusvarianten und Risikogebieten ist die oberste Prämisse, möglichst schnell, ohne Aufwand und vor allem sicher am Urlaubsort anzukommen. Gleichwohl scheinen etwaige Schwierigkeiten niemanden so wirklich abzuschrecken. Obwohl 45 Prozent der Deutschen zugeben, die Einschränkungen beim Reisen durch die Pandemie nur sehr schwer zu ertragen, plant fast die Hälfte der Bundesbürger in diesem Jahr mindestens einen Urlaub.

Der Mensch lebt halt mit sich im Widerspruch - einerseits ist da das berühmte Fernweh, andererseits sagt einem die Vernunft: bleib lieber zuhause. Der Kompromiss für 33,9 Prozent aller Deutschen: Urlaub in in heimischen Gefilden. An der Küste und in den Bergen dürfte es in den nächsten Wochen also voll werden. Übrigens, teurer wird es außerdem. Denn wie das Vergleichsportal Check 24 ermittelte, kosten Ferienwohnungen in der Hauptsaison jetzt knapp 19 Prozent mehr und Hotelzimmer sogar 24 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2019. Da trifft es sich doch gut, dass die TUI feststellt, dass Bundesbürger sich ihren Urlaub 25 Prozent mehr kosten lassen als vor der Krise. Allerdings man sich hier natürlich fragen, was war zuerst da: das Ei oder das Huhn? Sie wissen schon, was ich meine.

Im Gegensatz zu damals muss man heute nichts mehr von einer Reise erzählen, sondern zeigt seine schönsten Urlaubsfotos „mega influencend“ auf Instagram oder Facebook. Ein Grund dafür, dass ich den vergangenen Monaten unzählige Traumurlaube geplant und quasi bereits gebucht habe. Zumindest virtuell. Meine Wunschlisten bei den einschlägigen Reiseportalen sind randvoll gefüllt mit den allerschönsten Destinationen und Strandvillen weltweit. Meine Urlaubsgarderobe steht, die schönsten Bikinis wurden vorsorglich anprobiert, der beste Sonnenschutz gewählt und das Angebot an Travelsizes meiner Lieblingsdüfte und -kosmetik gesichtet. Kosten spielten dabei keine Rolle, denn ich werde in diesem Jahr definitiv nicht verreisen. Ein bereits im vergangenen Jahr gebuchter Kurzurlaub auf Norderney ist im Mai wegen des damaligen Beherbergungsverbotes in Niedersachsen geplatzt und damit auch meine diesjährige Reiselaune. Solange nicht alle meine Impfungen durch sind und die allgemeine Weltreiselage stabil ist, bleibe ich zuhause. Selbst Deutschland als Urlaubsziel reizt mich derzeit nicht, weil zu voll und zu teuer. Ich bin stolz, dass endlich mal Vernunft über Begehren siegt. Strandkleider und Bikinis gehen auch im Garten, Sonnenschutz brauche ich sowieso, meine Wunschlisten verfallen nicht, und die stylischen Travelflakons sind in meiner Handtasche sowieso ganzjährig am besten aufgehoben. In diesem Sinne wünsche ich allen einen schönen Urlaub. Und im nächsten Jahr bin ich dann auch wieder dabei.

Christiane Behmann Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.


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